Von Lucian Haas
Chlamydomonas
Foto: Uni
Bochum
Grüner Schleim im Wasser ist der Alptraum
jedes
Aquariumbesitzers. Für den Biologen Olaf Kruse hingegen sind die
Grünalgen, die sich munter in den Glaskolben in seinem Labor an der Uni
Bielefeld vermehren, die Zukunft der globalen Energieversorgung. Denn
die Einzeller der Art Chlamydomonas reinhardtii haben eine besondere
Eigenschaft: Allein mit Lichtenergie können sie aus Wasser (H2O) reinen
Wasserstoff (H2) produzieren. Und der gilt als besonders
umweltfreundlicher Energieträger, da er bei seinem Einsatz in Motoren
oder Brennstoffzellen einfach wieder zu Wasser verbrennt.
Bislang
hat die Vision der sauberen Wasserstoffwirtschaft aber eine
Schattenseite: In größerem Umfang lässt sich Wasserstoff derzeit nur
mit hohem Energieaufwand aus fossilen Rohstoffen wie Erdgas oder
mittels Elektrolyse aus Wasser gewinnen. Das ist keineswegs
umweltfreundlich, weil dabei auch große Mengen des Treibhausgases
Kohlendioxid (CO2) anfallen, das den Klimawandel fördern. Die Grünalgen
könnten helfen, dieses Problem zu lösen. Bei ihnen entsteht der
Wasserstoff als Nebenprodukt der Fotosynthese – ohne jede CO2-Emission.
Kruse
ist unter den zahlreichen Forschern, die weltweit daran arbeiten, diese
Fähigkeit der Grünalgen technisch nutzbar zu machen, derzeit einer der
erfolgreichsten. Im Herbst 2005 überraschte er die Fachwelt mit einem
Rekord: Gemeinsam mit Ben Hankamer von der University of Queensland im
australischen Brisbane präsentierte eine gentechnisch veränderte
Chlamydomonas-Mutante, die rund dreizehnmal mehr Wasserstoff produziert
als die in der Natur vorkommende Wildform. Seither konnte er die
Leistung der Mutante nochmals weiter steigern. „Während die Wildform
bei der Umsetzung von Sonnenlicht in Wasserstoff nur einen Wirkungsgrad
von 0,1 Prozent erreicht, kommen wir mit den Mutanten mittlerweile auf
2,5 Prozent“, berichtet er.
Solche Fortschritte lassen
aufhorchen. Denn laut einer Studie es US-Energieministeriums wäre die
Produktion des Biowasserstoffs mit Algenkulturen bereits ab einem
Wirkungsgrad von 7 bis 10 Prozent rentabel. „In den kommenden fünf bis
zehn Jahren könnten wir dieses Ziel erreichen“, sagt Kruse.
Ganz
einfach ist diese Entwicklung freilich nicht. Denn die Forscher
verlangen den Grünalgen eine Leistung ab, die sie nur unter Zwang
erbringen. Normalerweise nutzen die Einzeller die Energie der
Fotosynthese um zu wachsen. Wasserstoff produzieren sie mithilfe
spezieller Enzyme, so genannter Hydrogenasen. Doch die werden erst
unter Stressbedingungen aktiv, wenn die Fotosynthese nicht mehr richtig
funktioniert und keinen Sauerstoff mehr liefert. Das bedeutet: Den
Grünalgen geht es nicht gut dabei.
In den 1990er Jahren
entdeckten US-Forscher, dass der Entzug von Schwefel als Spurenelement
die Wasserstoffbildung der Grünalgen anheizt. Ohne Schwefel können die
Algen nur gut zehn Tage lang überleben. Wenn man die Umweltbedingungen
allerdings zyklisch verändert, indem man den Algenkulturen regelmäßig
für eine Regenerationszeit von etwa zwei Tagen wieder Schwefel zur
Verfügung stellt, bleiben die Kulturen auf Dauer produktiv.
„Wir
haben die Haltungsbedingungen für die Algen immer weiter daraufhin
optimiert, dass die Hydrogenasen eine hohe Aktivität zeigen“, erklärt
Kruse, wie er und sein Team die Wasserstoffproduktion der Laboralgen
ankurbelte. Dabei setzten die Forscher nicht nur auf den
Schwefelentzug, sondern schalteten zudem bestimmte Gene bei den Algen
aus. Die so erhaltenen Mutanten bilden bei der Fotosynthese von vorn
herein weniger Sauerstoff, der die Hydrogenase bei der Arbeit stören
könnte.
Die Ansätze zur Steigerung der Wasserstoffproduktion der
Algen sind vielfältig. US-Forscher am National Renewable Energy
Laboratory (NREL) in Golden, Colorado, arbeiten beispielsweise daran,
die Hydrogenase gentechnisch im Aufbau so zu verändern, dass sie vom
Sauerstoff nicht mehr gehemmt werden kann. Damit bliebe die Hydrogenase
aktiv, auch ohne dass die Algen unter Stress leiden. So könnte die
Wasserstoffherstellung effektiver ablaufen.
Da die
Biowasserstoffproduktion auf Lichtenergie basiert, ist es wichtig, dass
die Zellen überhaupt genügend Licht bekommen. In größeren Glaskolben
mit dichten Algenkulturen ist das nicht überall gewährleistet, da die
Zellen am Rand schon so viel Licht schlucken, dass es mitten in der
grünen Suppe recht duster ist. Der Molekularbiologe Michael Seibert,
leitender Wissenschafter am NREL, entwickelte ein Verfahren, Grünalgen
auf Licht leitenden Fasern anzusiedeln. So werden alle Algen der Kultur
ausreichend beleuchtet. Selbst Wildformen produzieren auf diese Weise
bereits dreimal mehr Wasserstoff als normal.
Tasios Melis,
Biologe an der University of California in Berkeley, züchtet
gentechnisch veränderte Grünalgen, die deutlich weniger grünen
Farbstoff Chlorophyll produzieren. Eine wässrige Lösung dieser Algen
sieht nicht mehr grün, sondern gelblich aus. Durch den geringeren
Chlorophyllgehalt sinkt zwar die Fotosyntheseleistung der einzelnen
Zellen. Doch die Transparenz lässt mehr Lichtenergie in eine dichte
Zellkultur. Auch auf diese Weise lässt sich die Wasserstoffausbeute des
gesamten Systems steigern.
In Zukunft wollen Wissenschaftler
sogar Biowasserstoff nach der Algenmethode sogar ohne lebende Zellen
produzieren. Thomas Happe, Fotobiotechnologe an der Ruhr-Universität
Bochum, entwickelte bereits ein Verfahren, mit dem er die Hydrogenasen
aus den Algenkulturen isolieren und auf einer dünnen Membran aufbringen
kann. Dort verrichten die Enzyme weiter ihren Dienst und bilden
Wasserstoff. Auf eine zweite Membran platziert er Proteine aus dem
Photosyntheseapparat der Zellen. Sie liefern beim Belichten die für die
Wasserstoffbildung nötigen Elektronen. „Nun wollen wir diese
Komponenten zu einer umweltfreundlichen Biobatterie kombinieren“, sagt
Happe.
Bereits in zwei bis drei Jahren soll ein erster Prototyp
fertig sein. Die Biobatterie wird aus dem Generator, einem Speicher für
den Wasserstoff und einer daran gekoppelten, kleinen Brennstoffzelle
bestehen. Der Strom, den sie bei der Wasserstoffverbrennung liefert,
soll ausreichen, um beispielsweise ein Handy zu betreiben. „Zum
Aufladen muss das Gerät dann nur noch an einen beleuchteten Platz
gelegt werden“, so Happe.
Solche Mini-Energiequellen sind
freilich nicht das Hauptziel der Forscher. Letztendlich hoffen alle,
die Biowasserstoffproduktion eines Tages im großen Stil in Gang zu
bringen. Die Algen sollen dann in ausgedehnten Wasserstofffarmen
kultiviert werden. Tasios Melis hat berechnet, dass eine Fläche von
25.000 Quadratkilometern nötig wäre, um den heutigen Benzinbedarf der
USA mit Biowasserstoff zu decken. Das sind weniger als ein Zehntel der
gegenwärtigen Maisfelder des Landes.
Besonders interessant
könnte dieses Verfahren werden, wenn es gelänge, den Biowasserstoff mit
Meeresalgen zu produzieren. Die bislang eingesetzten Chlamydomonas
reinhardtii sind Süßwasseralgen. Doch gerade in Regionen mit hoher
Sonneneinstrahlung ist Süßwasser häufig knapp. „Wir sind bereits nach
Salzwasserorganismen, die genügend Wasserstoff produzieren“, sagt der
Bielefelder Olaf Kruse.
Biowasserstoff aus Meeresalgen wäre
doppelt von Nutzen: Denn er würde aus Salzwasser gewonnen. Beim Einsatz
in einer Brennstoffzelle würde daraus am Ende nicht nur elektrische
Energie, sondern auch Süßwasser fließen. Meerwasserentsalzung, heute
noch mit einem immensen Energiebedarf verbunden, könnte so zu einem
kostenlosen Nebenprodukt werden.
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